Der unrealistische Optimismus des Investors

Bereits Benjamin Graham, bekannt als der „Vater“ des Value Investing, sagte einst: „Der größte Feind des Investors ist er selbst.“ Emotionale Tendenzen beeinflussen oft unsere Entscheidungen und führen zu suboptimalen Ergebnissen. Während ich in meinem letzten Beitrag die selbstwertdienliche Verzerrung besprochen habe, widme ich mich heute einem weiteren Phänomen: dem unrealistischen Optimismus.

Der Mythos des Homo Oeconomicus

Volkswirte sprechen gern vom sogenannten Homo Oeconomicus – einem hypothetischen „Ideal-Menschen“, der stets rational handelt und immer die beste Entscheidung trifft. In der Realität jedoch treffen wir oft impulsive Entscheidungen, beeinflusst durch Emotionen und unvollständige Informationen. Unser Gehirn nutzt Heuristiken und Schätzungen, um Entscheidungen zu treffen, was nicht immer zur optimalen Wahl führt.

Was ist unrealistischer Optimismus?

Optimismus beschreibt die Tendenz, positive Ergebnisse wahrscheinlicher zu sehen, als sie objektiv sind. Ein einfaches Experiment zeigt dies:

Beantworten Sie folgende Fragen:

  1. Sind Sie ein überdurchschnittlich guter Autofahrer?

  2. Sind Sie ein besserer Liebhaber als der Durchschnitt?

  3. Erwarten Sie im nächsten Jahr eine überdurchschnittliche Rendite?

Wenn Sie wie 80 % der Menschen geantwortet haben, war Ihre Antwort dreimal „Ja“. Ein klassischer Fall von unrealistischem Optimismus. Wir überschätzen nicht nur unsere eigenen Fähigkeiten, sondern unterschätzen auch Risiken – beispielsweise die Wahrscheinlichkeit einer ernsten Erkrankung oder einer wirtschaftlichen Krise.

Unrealistischer Optimismus im Investmentbereich

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, wie stark unrealistischer Optimismus Investoren beeinflusst hat. Während der Technologie-Blase der späten 90er befragte das Gallup-Institut monatlich 1.000 Amerikaner nach ihrer Markterwartung.

  • Im Juni 1998 erwarteten sie eine Marktrendite von 13,4 %, für ihr eigenes Portfolio jedoch 15,2 %.

  • Im Februar 2000 – kurz vor dem Platzen der Blase – schätzten sie den Markt auf 15,2 %, ihr eigenes Portfolio jedoch auf 16,7 %.

Investoren überschätzten nicht nur ihre eigenen Fähigkeiten, sondern auch die allgemeine Marktentwicklung. Dies zeigt eine gefährliche Tendenz: Je positiver die vergangenen Jahre waren, desto optimistischer wird die zukünftige Erwartung – obwohl oft das Gegenteil eintritt. Auf dem Höhepunkt des Booms erwarteten Anleger eine Rendite von 16,7 %, gefolgt von einem zweijährigen Crash.

Wie sich Investoren vor unrealistischem Optimismus schützen können

„The single greatest challenge you face as an investor is handling the truth about yourself.“ – Jason Zweig

Um sich vor den negativen Auswirkungen des unrealistischen Optimismus zu schützen, sollten Investoren diese drei Methoden anwenden:

1. Objektive Analyse und rationale Entscheidungsfindung

Jede Investition sollte nüchtern betrachtet werden. Eine Analyse sollte nicht mit dem Ziel erfolgen, ein Investment zu rechtfertigen, sondern um objektiv Chancen und Risiken abzuwägen. Wer bereits vor der Analyse eine Entscheidung trifft, neigt dazu, nur bestätigende Informationen zu suchen und kritische Aspekte auszublenden.

2. Perspektivenwechsel: Die Sicht der Gegenpartei einnehmen

Bei jeder Transaktion gibt es eine Gegenpartei, die entgegengesetzte Erwartungen hat. Wenn ein Investor glaubt, dass eine Aktie unterbewertet ist, bedeutet das, dass der Verkäufer sie für überbewertet hält. Sich in die Gegenpartei hineinzuversetzen hilft, blinde Flecken in der eigenen Analyse aufzudecken und mögliche Fehleinschätzungen zu vermeiden.

3. Post-Mortem-Analyse: Lernen aus vergangenen Entscheidungen

Nach jedem Investment – insbesondere nach einem Verkauf – sollte eine systematische Rückbetrachtung erfolgen. Hat sich das Unternehmen wie erwartet entwickelt? Welche Annahmen waren korrekt, welche nicht? Diese Methode hilft, Fehler zu erkennen und in Zukunft bessere Entscheidungen zu treffen. Besonders bei Fehlinvestitionen ist es essenziell, aus den Ursachen zu lernen und emotionale Einflüsse zu minimieren.

Fazit

Unrealistischer Optimismus ist ein natürlicher Bestandteil unseres Denkens, kann aber zu gravierenden Fehleinschätzungen führen – besonders im Investmentbereich. Erfolgreiche Investoren erkennen ihre eigenen kognitiven Verzerrungen und setzen Strategien ein, um rationale Entscheidungen zu treffen. Wer lernt, seinen Optimismus zu kontrollieren, steigert langfristig seine Erfolgschancen am Markt.

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