Der unrealistische Optimismus des Investors

Bereits Benjamin Graham, bekannt als der „Vater“ des Value Investing, sagte einst: „Der größte Feind des Investors ist er selbst.“ Jeder Investor unterliegt emotionalen Tendenzen, die ihm bei einer rationalen Entscheidung im Weg stehen können. Nachdem ich im letzten Beitrag die selbstwertdienliche Verzerrung besprochen habe, widme ich mich in diesem Artikel einem weiteren Phänomen: dem unrealistischen Optimismus.

Der beste Freund des Volkswirtes: Der Homo Oeconomicus 

Volkswirte sprechen gern von dem sogenannten homo oeconomicus – er sorgt dafür, dass ihre Modelle und Theorien so wunderbar logisch funktionieren. Dieser frei erfundene „Ideal-Mensch“ agiert stets rational und trifft unter sämtlichen Umständen immer die optimale Entscheidung. Aus Sicht der Volkswirte gibt es 7,951 Milliarden homi oeconomici, „somit ist jeder von uns einer“. Jede wirtschaftliche Ungleichheit wird von ihnen in einer Geschwindigkeit und Effizienz ausbalanciert, dass man fast glauben könnte, dass die Ideal-Menschen von einer „unsichtbaren Hand“ gesteuert werden.

Dieser Wunschzustand entspricht jedoch nicht der Realität. Wir entscheiden nicht immer rational; unsere Entscheidungen werden häufig von unseren Emotionen beeinflusst. Für eine optimale Entscheidung müssen wir alle relevanten Informationen kennen und sie gleichermaßen auch verstehen und bewerten können. Auch das ist meist nicht gegeben, sodass wir unsere finalen Entscheidungen basierend auf Schätzungen und Erfahrungen treffen. Dieses Pi mal Daumen-Prinzip sorgt dafür, dass wir nicht immer die beste Option wählen.

Was bedeutet Optimismus?

Optimismus ist die Tendenz, ein Ereignis so wahrzunehmen, dass ein günstiges Ergebnis erwartet wird, ungeachtet der objektiven Wahrscheinlichkeit, dass dieses Ergebnis tatsächlich erfüllt wird. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, die wir empfinden, die tatsächliche Wahrscheinlichkeit übertrifft.

Wir können das Phänomen an dieser Stelle direkt ausprobieren.

Stellen sie sich hierzu folgende drei Fragen:

  1. Sind Sie ein überdurchschnittlicher Autofahrer?

  2. Sind Sie ein besserer Liebhaber als der Durchschnittsliebhaber?

  3. Erwarten Sie im nächsten Jahr eine überdurchschnittliche Rendite?

Wenn Sie wie 80 % ihrer Mitmenschen sind, haben sie alle drei Fragen mit JA beantwortet; ein klarer Fall von Optimismus. Dieses Phänomen gibt es nicht nur bei der Überschätzung positiver Umstände. Wir unterschätzen auch die Wahrscheinlichkeit einer ernsthaften Erkrankung oder einer Scheidung.

Interessant ist auch, dass wir unabhängig von Alter, Geschlecht (Männer sind in der Regel etwas optimistischer) oder Herkunft eine optimistische Grundeinstellung haben.

Ein gesunder Optimismus ist selbstverständlich positiv zu bewerten, da er unser Selbstbewusstsein stärkt und wir dadurch auch bereit sind, Risiken einzugehen.

Viele bahnbrechende Entwicklungen wären ohne Optimismus vermutlich niemals so weit vorangekommen. Ein bekanntes Beispiel: Wenn Steve Jobs beschrieben wird, fällt häufig der Ausdruck „reality distortion field“, was nicht anderes bedeutet, als dass er die Realität einfach so betrachtete, wie sie ihm zusagte.

Der unrealistische Optimismus und der Investor

Blicken wir auf einen Zeitraum, der von einem unrealistischen Optimismus geprägt wurde – die Technologie-Blase um die Jahrtausendwende. In den späten 90er-Jahren befragte das Gallup Institut jeden Monat 1.000 amerikanische Probanden zu ihrer Einschätzung, wie sich der Aktienmarkt im Allgemeinen und wie sich ihr eigenes Portfolio in den nächsten 12 Monaten entwickeln würden. Im Juni 1998 erwarteten die Befragten, dass der Markt um 13,4 %, ihr Portfolio aber um 15.2 % steigen würde. Vor dem Platzen der Blase im Februar 2000 schätzten sie, dass der Markt um 15,2 % und ihre eigenen Aktien um 16,7 % ansteigen würden. Das zeigt auf, dass Investoren ihre eigenen Fähigkeiten überschätzen, indem sie ihre Rendite um 1,5 % höher ansetzten als die des Marktes, obwohl die Rendite aller individuellen Portfolios per Definition die durchschnittliche Rendite des Marktes ergeben. Zudem sind Investoren häufig auch deutlich zu optimistisch, was die erwartete Rendite im Allgemeinen betrifft. Auffällig ist: Wenn die Jahre zuvor positiv verliefen, werden Investoren zunehmend optimistischer. Dabei sollte genau das Gegenteil der Fall sein; je höher die vergangene Rendite desto niedriger die zukünftige Rendite. Auf dem Höhepunkt des Booms erwarteten die befragten Investoren eine Rendite von 16,7 %, in der Realität folgte ein zweijähriger Crash.

Wie wir bereits festgestellt haben, kann ein gesunder Optimismus zu positiver Entwicklung und zu andauerndem Wachstum führen. Für den ambitionierten Investor führt ein ungerechtfertigter Optimismus jedoch in der Regel zu einem suboptimalen Ergebnis. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass der Investor nicht aus seinen eigenen Fehlern lernt und Fehler lediglich in den äußeren Umständen sucht.

Wie sich der Investor vor dem unrealistischen Optimismus schützt

„The single greatest challenge you face as an investor is handling the truth about yourself“ – Jason Zweig

Um sich vor „zu viel“ Optimismus zu schützen, muss der ambitionierte Investor anerkennen, dass es in der Natur des Menschen liegt, optimistisch zu sein. Denn nur wenn der Investor seine Schwächen akzeptiert, kann ihr sie auch infrage stellen.

Drei Methoden, die mir dabei geholfen haben, meinen Optimismus zu bremsen:

1.     Man sollte während seiner Analyse möglichst rational und analytisch vorgehen. Positive sowie negative Aspekte müssen gleichermaßen in die Bewertung einfließen. Ein Unternehmen sollte niemals mit dem Vorsatz direkt zu investieren, analysiert werden. Nur wenn nach Abschluss der Analyse logisch begründet werden kann, weshalb ein Investment rentabel erscheint, sollte ein ambitionierter Investor ein finanzielles Engagement eingehen. Die meisten Investoren haben ihre Entscheidung (unterbewusst) schon getroffen, bevor sie das Unternehmen analysieren. Die Analyse wird dadurch hinfällig, der Investor konzentriert sich automatisch auf die Merkmale, die seine These bestätigen.

2.     Bei jeder Transaktion gibt es eine Gegenpartei, die genau vom Gegenteil ausgeht, sonst würde es folglich nicht zu einem Austausch der Anteile kommen. Wenn man der Meinung ist, dass ein Unternehmen unterbewertet ist, ist die Gegenpartei davon überzeugt, dass das Unternehmen überbewertet ist und besser veräußert werden sollte. Daher ist es ratsam sich in die Lage der Gegenpartei zu versetzen. Wieso verkauft er zu diesem (meiner Ansicht nach günstigen) Preis die Aktie? Habe ich in meiner Analyse etwas übersehen? Überschätze ich die zukünftige Entwicklung des Unternehmens oder wird sie von der Gegenpartei unterschätzt?

3.     Sobald man eine Aktie verkauft, kann es anschließend äußerst hilfreich sein eine sogenannte Post Mortem Analyse, indem man tiefgründig bewertet ob sich das Unternehmen gemäß der getroffenen Annahmen entwickelt hat. Dafür ist es notwendig, vor jedem Investment Annahmen zu definieren, um diese anschließend mit dem tatsächlichen Ergebnis realistisch zu vergleichen. Besonders bei enttäuschenden Investments ist diese Methode sehr aufschlussreich, da sie Fehlerquellen aufdeckt und dabei unterstützt, exakt diese Fehler in Zukunft zu vermeiden.   

 

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