Benjamin Graham: Der Vater des Value-Investings

In dieser fortlaufenden Reihe stellen wir Euch unterschiedliche Investment-Legenden sowie aufstrebende Investoren und ihre Investment Stile vor. Wir beginnen mit dem Vater des Value Investings: Benjamin Graham

Benjamin Graham hat die Finanzwelt wie kaum ein anderer Investor beeinflusst. Sein analytischer Ansatz zur Bewertung von Unternehmen und sein Fokus auf das Konzept der „Sicherheitsmarge“ (Margin of Safety) haben nicht nur Generationen von Investoren geprägt, sondern auch einem seiner berühmtesten Schüler, Warren Buffett, den Weg geebnet. In diesem Blogartikel beleuchten wir das Leben von Ben Graham, seine Investmentprinzipien und die Lehren, die er der modernen Investmentwelt hinterlassen hat.

Der Werdegang von Benjamin Graham

Benjamin Graham wurde 1894 in London geboren und wanderte später mit seiner Familie in die USA aus. Nach einem ausgezeichneten Studium an der Columbia University begann er seine Karriere an der Wall Street und war bald als erfolgreicher Investor und Analyst tätig. Doch die turbulenten Jahre der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren hinterließen auch bei Graham ihre Spuren. Von 1929 bis 1932 verlor Grahams Fonds 70 %. Er überlebte die verheerendste Krise in der Geschichte des Aktienmarktes nur knapp. Diese Erfahunrg inspirierte ihn dazu, eine Methode zu entwickeln, die Anleger in allen Marktphasen vor drastischen Verlusten schützen sollte. In den Jahren nach der Krise entwickelte er eine neue Herangehensweise und Art des Investierens, die er als Value-Investing bezeichnete. Graham gründete die Investmentfirma „Graham-Newman Corporation“ und etablierte sich als führender Denker der Branche. In seiner späteren Karriere wandte er sich der Lehre zu und begann, seine Investmentprinzipien an der Columbia University zu unterrichten, wo er einen seiner bekanntesten Schüler, Warren Buffett, inspirierte.

Die Grundprinzipien des Value-Investings

Benjamin Graham gilt als Begründer des Value-Investings, einer Strategie, die darauf abzielt, unterbewertete Aktien zu identifizieren und zu kaufen. Dabei orientiert sich ein Value Investor am inneren Wert eines Unternehmens, also dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert, den Graham anhand fundierter Analysen feststellt. Die Grundidee ist, dass der Aktienmarkt gelegentlich den Wert eines Unternehmens falsch einschätzt und diese Aktien daher günstiger gehandelt werden, als sie tatsächlich wert sind. Diese Diskrepanz zwischen Preis und Wert versucht ein Value Investor auszunutzen.

Die wesentlichen Prinzipien des Value-Investings lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1.     Innerer Wert: Graham entwickelte Methoden, um den inneren Wert eines Unternehmens zu berechnen. Durch die Analyse von Bilanzen, Erträgen und Verbindlichkeiten ermittelte er, ob ein Unternehmen mehr wert ist als der aktuelle Marktpreis der Aktie. Eine Spezialform dieser Methode waren sogenannte „Net-Net-Aktien“, bei denen der Aktienkurs unter dem Liquidationswert des Unternehmens liegt. Graham sah Net-Net-Aktien als extrem günstige Investitionsmöglichkeit an, weil der Marktwert des Unternehmens so niedrig ist, dass selbst bei einer Auflösung oder Liquidation ein Gewinn möglich wäre. Heutzutage sind solche Investitionsmöglichkeiten kaum noch zu finden

2.     Sicherheitsmarge: Die berühmte „Margin of Safety“ ist eines von Grahams grundlegenden Konzepten. Sie beschreibt den Unterschied zwischen dem geschätzten inneren Wert eines Unternehmens und dem aktuellen Marktpreis seiner Aktie. Diese Marge dient als Sicherheitsmaßnahme, um das Risiko eines Verlusts zu reduzieren. Indem Investoren Aktien unter ihrem geschätzten Wert kaufen, schaffen sie sich einen Puffer, der sie vor möglichen Fehlern in der Bewertung oder unerwarteten Marktschwankungen schützt. Warren Buffett beschreibt das Konzept der Margin of Safety als „die drei wichtigsten Worte für erfolgreiches Investieren“

3.     Aktienmarkt als "Mr. Market": Graham stellte sich den Aktienmarkt als eine Person namens „Mr. Market“ vor, die täglich Aktien zu einem unterschiedlichen Preis anbietet. Mr. Market ist launisch, und der Preis einer Aktie kann oft irrational sein. Graham rät, Mr. Market zu ignorieren und nur dann zu kaufen oder zu verkaufen, wenn die Preise deutlich vom inneren Wert abweichen.

4.     Langfristige Orientierung: Graham war der Überzeugung, dass der Markt langfristig rational ist, kurzfristig jedoch durch Emotionen wie Angst und Gier getrieben wird. Er ermutigte Investoren, Geduld zu bewahren und auf langfristige Gewinne zu setzen, anstatt auf schnelle Renditen.

Grahams bedeutendste Werke

Benjamin Graham schrieb zwei äußerst einflussreiche Bücher, die die Welt des Investierens nachhaltig geprägt haben:

„Security Analysis“ (1934): Dieses Buch, das Graham gemeinsam mit David Dodd verfasste, gilt als das Standardwerk des Value-Investings. Es bietet detaillierte Techniken zur Bewertung von Aktien und Anleihen und wird auch heute noch als Bibel für Investoren und Analysten betrachtet.

„The Intelligent Investor“ (1949): Dieses Buch ist Grahams wohl bekanntestes Werk und wird von Investoren weltweit als Leitfaden geschätzt. Es legt die Prinzipien des Value-Investings in einer zugänglichen Form dar und vermittelt dem Leser, wie wichtig eine disziplinierte, langfristige Strategie ist. Warren Buffett bezeichnete „The Intelligent Investor“ als das beste Buch über Investitionen, das je geschrieben wurde.

Der Einfluss auf Warren Buffett

Grahams Einfluss auf Warren Buffett ist legendär. Buffett, der als Student in Grahams Vorlesungen saß, sagte einmal: „Ich bin zu 85 % Graham und zu 15 % Fisher.“ Nach Abschluss seines Studiums wollte Buffett unbedingt für Benjamin Graham arbeiten und bot sogar an dies kostenlos zu tun. Graham lehnte ab und so zog Buffett zunächst zurück nach Omaha und arbeite dort für die Investment Firma seines Vaters Buffett-Falk & Co.

Drei Jahre darauf, im Jahr 1954, überlegte es sich Graham anders und bot Buffett einen Job als Analyst in dessen Investmentfirma Graham-Newman Corporation an. Jedoch schloss Graham seine Firma bereits zwei Jahre, um sich auf das Lehren zu konzentrieren.

Grahams Philosophie des Value-Investings, insbesondere sein Konzept der Sicherheitsmarge, ist ein Leitprinzip für Buffett geblieben. Buffett sagte einmal, dass er sich an Grahams Grundsätze hält und von Grahams „Mr. Market“-Philosophie inspiriert ist, die darauf abzielt, die irrationalen Schwankungen des Marktes zu ignorieren und auf den wahren Wert eines Unternehmens zu vertrauen. Grahams Prinzipien sind bis heute fester Bestandteil von Buffetts Anlagestrategie bei Berkshire Hathaway.

Kritische Betrachtung und Modernität von Grahams Prinzipien

Während viele von Grahams Investmentprinzipien zeitlos erscheinen, gibt es Stimmen, die behaupten, dass einige seiner Methoden heute weniger relevant sind. Der Investmentmarkt hat sich seit Grahams Zeiten stark verändert, insbesondere durch den Aufstieg der Technologieunternehmen, die oft auf immateriellem Vermögen basieren, das schwieriger zu bewerten ist als traditionelle, materielle Vermögenswerte.

Auch die zunehmende Geschwindigkeit und Globalisierung des Marktes haben das Investieren komplexer gemacht. Doch trotz dieser Herausforderungen bleibt Grahams Grundidee der Sicherheitsmarge nach wie vor eines der solidesten Prinzipien des Investierens, da sie vor übermäßigen Risiken schützt und für Beständigkeit sorgt.

Lehren für heutige Investoren

Benjamin Graham hat eine Vielzahl von Lehren hinterlassen, die für heutige Investoren wertvoll sind:

  • Emotionen kontrollieren: Graham rät Investoren, rational und diszipliniert zu handeln und sich nicht von Marktstimmungen oder -hypes mitreißen zu lassen. Laut Graham ist der größte Feind des Anlegers der Anleger selbst.

  • Konzentriere dich auf den inneren Wert: Anstatt dem Markt blind zu folgen, sollten Investoren lernen, den inneren Wert eines Unternehmens zu ermitteln, um echte Chancen zu erkennen

  • Langfristig denken: Geduld ist eine Tugend, die sich in der Investmentwelt bezahlt macht. Investitionen mit Blick auf den langfristigen Erfolg haben oft bessere Renditechancen als kurzfristige Trades.

  • Diversifikation: Graham war ein Befürworter der Diversifikation, um Risiken zu minimieren. Für ihn war es entscheidend, das Kapital auf verschiedene Aktien und Anleihen zu verteilen, um mögliche Verluste abzufedern.

Fazit

Benjamin Graham war mehr als nur ein erfolgreicher Investor; er war ein Wegbereiter für eine Anlagestrategie, die auch Jahrzehnte nach seinem Tod Bestand hat. Seine Prinzipien des Value-Investings, des inneren Wertes und der Sicherheitsmarge bieten eine klare, solide Grundlage für alle, die langfristig erfolgreich investieren möchten. In einer Welt, die von schnellen Gewinnen und volatilen Märkten geprägt ist, erinnern uns Grahams Lehren daran, dass die besten Ergebnisse durch Disziplin, Geduld und eine tiefe, fundierte Analyse erzielt werden.

Für moderne Investoren, ob Anfänger oder erfahrene Profis, bleibt Benjamin Grahams Philosophie eine unverzichtbare Quelle der Weisheit. Seine zeitlosen Prinzipien helfen dabei, die Komplexität der Finanzwelt zu entschlüsseln und Investments rational und nachhaltig zu gestalten – ein Vermächtnis, das über Generationen hinweg Bestand haben wird.

 

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