Aktienrückkäufe: Fluch oder Segen?
Das Thema Aktienrückkäufe spaltet die Investoren Community. Während die eine Seite Aktienrückkäufe als „financial engineering“ kritisiert, beharrt die Gegenseite darauf, dass der Rückkauf eigener Aktien zu einem höheren Gewinn pro Aktie und somit auch zu einem höheren Aktienkurs führen kann. Während Aktienrückkäufe bei US-Unternehmen äußerst beliebt sind, steht in Europa und vor allem in Deutschland die gute alte Dividende im Mittelpunkt der Kapitalverwendung.
Im Folgenden möchte ich aufzeigen, dass Aktienrückkäufe sehr wohl im Sinne der Aktionäre sein können, soweit diese intelligent und opportunistisch erfolgen. Blicken wir zunächst darauf, was genau geschieht, wenn Unternehmen eigene Aktien zurückkaufen.
Was sind Aktienrückkäufe?
Wie der Name schon sagt, erwirbt das Unternehmen bei einem Aktienrückkauf die Aktien des eigenen Unternehmens. Diese zurückgekauften Aktien können entweder von dem Unternehmen „vernichtet“ werden und fließen in den eigenen Bestand (sogenannte „treasury shares“). Treasury shares existieren zwar weiterhin, ihnen steht aber kein Gewinnanspruch zu, sodass die Anzahl der ausstehenden Aktien in beiden Fällen sinkt. Bei einem konstanten KGV sollte der Aktienkurs steigen, da der Gewinn durch eine geringere Anzahl an ausstehenden Aktien geteilt wird und somit der Gewinn pro Aktie steigt. Ein höherer Gewinn pro Aktie multipliziert mit dem gleichen KGV führt entsprechend zu einem höheren Aktienkurs.
Die Realität
So ganz einfach ist es in der Regel dann meist doch nicht, denn für den Rückkauf eigener Aktien muss das Unternehmen selbstverständlich auch Kapital aufwenden, das anschließend nicht mehr zur anderweitigen Verwendung zur Verfügung steht. Ein Unternehmen sollte ein Aktienrückkauf-Programm ausschließlich dann in Erwägung ziehen, wenn die eigenen Aktien zu einem Preis erworben werden können, der deutlich unter dem fairen Wert des Unternehmens liegt. Auch nur dann, wenn es keine attraktiveren Möglichkeiten der Kapitalverwendung gibt.
Welche Möglichkeiten der Kapitalverwendung hat ein Unternehmen?
In der Regel hat ein Unternehmen 5 Möglichkeiten, das Kapital zu verwenden.
1. Das Unternehmen kann das Kapital horten (man denke nur an Apple unter Steve Jobs). Abgesehen von Unternehmen, die eine hohe Schuldenquote aufweisen und beabsichtigen diese zu reduzieren, scheint das keine optimale Verwendung zu sein (Apple Aktionäre werden es Steve Jobs jedoch verzeihen).
2. Das Unternehmen reinvestiert das Kapital in das eigene Unternehmen, um zukünftig höhere Gewinne einzufahren und so den Wert zu steigern.
3. Das Unternehmen erwirbt ein anderes Unternehmen. Die Vergangenheit gezeigt, dass Akquisen in der Regel Wert vernichten. 2 + 2 ergibt nun mal selten 5.
4. Eine weitere Möglichkeit der Mittelverwendung ist die beliebte Dividende. Hierbei schüttet das Unternehmen den Anteil des Gewinnes, der nicht anderweitig verwendet werden kann, an ihre Aktionäre aus.
5. Die letzte Option der Gewinnverwendung ist der eben besprochene Rückkauf eigener Aktien.
Dividende vs. Aktienrückkäufe: Eine Glaubensfrage, die keine ist
In der folgenden Diskussion gehen wir davon aus, dass der operative Kapitalbedarf bereits gedeckt wurde. Das restliche Kapital steht dem Unternehmen nun zur Verfügung, damit es an die Aktionäre in Form von Dividenden und/oder Aktienrückkäufen ausgezahlt werden kann.
Die Dividende
Die allgemeine Beliebtheit der Dividende ergibt sich meiner Ansicht nach zum einen durch ihre Einfachheit und zum anderen ermöglicht sie dem Investor einen relativ vorhersehbaren und bestenfalls steigenden Zahlungsstrom. Die Dividende ist jedoch keine wertsteigernde Maßnahme, was sie von Aktienrückkäufen unterscheiden kann. Jeder ausbezahlte Euro ist nun mal auch nur einen Euro wert (abzüglich anfallender Steuern sogar weniger). Während eine Dividende keinen Wert kreieren kann, kann sie trotzdem Wert für den Investor realisieren. Angenommen eine Aktie wird am Markt zu einem KBV von 0,5 gehandelt. Das bedeutet, der Markt bewertet das Eigenkapital des Unternehmens zum halben Wert des tatsächlichen Eigenkapitals. Wenn sich das Unternehmen nun entschließt, einen Teil seines Eigenkapitals in Form einer Dividende auszuschütten, realisiert der Investor einen Gewinn (soweit der Markt das Unternehmen auch nach der Dividende mit einem KBV von 0,5 bewertet).
Ein Nachteil für Investoren liegt in der Besteuerung von Dividenden. Es kommt zu einer sogenannten Doppelbesteuerung. Zunächst wird der Gewinn des Unternehmens versteuert – auf diesen bereits indirekt versteuerten Betrag fallen beim Investor nochmals direkte Steuern in Form der Abgeltungssteuer an.
Ein häufiges Argument für Pro-Dividende ist, dass Unternehmen, die über einen langen Zeitraum zumindest konstante Dividenden an ihre Aktionäre ausgeschüttet haben (sogenannte Dividenden-Aristokraten) risikoärmer sind und gleichzeitig überdurchschnittliche Renditen erzielen. Meiner Ansicht nach stimmt bei diesem Argument die Kausalität nicht. Bewährte Unternehmen mit einem langfristigen Wettbewerbsvorteil sind in der Lage, ihre Gewinne konstant zu steigern und können somit auch die Dividende regelmäßig steigern und nicht umgekehrt – oder seit wann wedelt der Schwanz mit dem Hund?
Der Aktienrückkauf
Aktienrückkäufe können eine attraktive Methode der Kapitalverwendung darstellen. Im Gegensatz zur Dividende ist das entscheidende Kriterium für die Effektivität eines Aktienrückkaufes der Preis einer Aktie. Wenn der Preis unter dem wahren Wert liegt, ist ein Aktienrückkauf wertsteigernd; liegt er darüber vernichtet das Unternehmen Wert. Daher sollte das Management bei der Entscheidung über den Rückkauf eigener Aktien sowohl preissensitiv als auch opportunistisch vorgehen.
Leider geschieht in der Realität häufig das exakte Gegenteil. Es werden langjährige „Buyback“-Programme angekündigt, die jährlich einen bestimmten Betrag für den Rückkauf festlegen. An diesen Programmen wird dann stur festgehalten – ob die Aktionäre davon nun profitieren oder nicht. Des Weiteren werden Aktien häufig zurückgekauft, um der Verwässerung von Optionen (die in der Regel vom Management gehalten werden) entgegenzuwirken. Diese Buy-High-Sell-Low-Methode ist keinesfalls im Sinne der Aktionäre.
Ein geeignetes Rückkauf-Programm sollte transparent kommunizieren, zu welcher Preisspanne ein Rückkauf attraktiv erscheint und das Unternehmen sollte demensprechend agieren. Dafür muss das Management in der Lage sein, den Wert des Unternehmens zu bestimmen und dann auch die Courage besitzen, um mit Überzeugung zu handeln.
Fazit
Jede Kapitalmaßnahme sollte intelligent unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren und vor allem im Sinne der Aktionäre erfolgen. Nur Kapital, das vom Unternehmen intern nicht profitabel eingesetzt werden kann, sollte an die Aktionäre in Form von Dividenden und/oder Aktienrückkäufen ausgeschüttet werden. Warren Buffett spricht in diesem Zusammenhang von dem „1-Dollar-Test“. Jeder intern investierte Dollar muss demnach mindestens auch einen Dollar an Wert kreieren, um den Test zu bestehen. Bei der Entscheidung, ob das überschüssige Kapital als Dividende ausgeschüttet oder zum Rückkauf eigener Aktien verwenden wird, sollte der Aktienpreis im Verhältnis zum Wert der Aktie als Maßstab genommen werden. Ausschließlich, wenn der Preis deutlich unter dem konservativ kalkulierten Wert notiert ist, sollte sich das Unternehmen für ein Rückkauf-Programm entscheiden.