ETFs – Diversifikation mit Risiken: Was Anleger wissen sollten

ETFs, oder Exchange Traded Funds, sind börsengehandelte Fonds, die es Anlegern ermöglichen, in einen breiten Markt oder einen bestimmten Sektor zu investieren, ohne einzelne Aktien kaufen zu müssen. Sie werden an Börsen ähnlich wie Aktien gehandelt und bilden meist die Wertentwicklung eines Index (wie z.B. des DAX, S&P 500 oder MSCI World) ab. ETFs ermöglichen es Anlegern, mit einer einzigen Investition in eine Vielzahl von Unternehmen oder Vermögenswerten zu investieren. So ist das Risiko breiter gestreut, da das Kapital nicht in eine einzelne Aktie investiert wird. Da ETFs passiv verwaltet werden (sie folgen einem Index und benötigen daher kein aktives Fondsmanagement), sind die Verwaltungsgebühren oft niedriger als bei aktiv gemanagten Fonds. Typische jährliche Gebühren liegen meist zwischen 0,1 % und 0,5 % des investierten Kapitals.

Allerdings kann die einfache Struktur von ETFs dazu führen, dass Anleger potenzielle Risiken unterschätzen. Trotz ihres Rufs als „sichere“ Anlageform ist es sinnvoll, ETFs kritisch zu bewerten. Hier sind zwei wesentliche Aspekte, die ein Anleger im Blick haben sollte:

1.     Qualität statt Größe

Ein häufiger Irrtum ist, dass die größten Unternehmen auch die besten sind – doch das ist nicht immer der Fall. Ein Unternehmen kommt in einen Index, weil es groß ist und oft gehandelt wird, nicht unbedingt weil es finanziell stark ist oder Wachstumspotenzial hat. Werte wie die Verschuldung oder die Rentabilität bleiben dabei oft unberücksichtigt. Die typischen Gegenargumente zu dieser Kritik lauten wie folgt:

 „Die größten Unternehmen sind auch die besten”

Dieses Argument weist gleich zwei Schwachstellen auf. Erstens spiegelt die Unternehmensgröße (wenn überhaupt) nur den Erfolg der Vergangenheit wider. Von den zehn umsatzstärksten Unternehmen in den USA im Jahr 1994 hat es in den vergangenen 30 Jahren nur eines in die heutige Top 10 geschafft. Unter diesen zehn Firmen fanden sich damals drei Automobilhersteller, drei Ölkonzerne und ein Tabakkonzern. Obwohl allen Unternehmen damals viel Potenzial zugeschrieben wurde, meldeten seither drei von ihnen Insolvenz an (General Motors, Ford und Chrysler), drei wurden übernommen (Chrysler, Mobil und Texaco), und zwei weitere sind heute nur noch ein Schatten ihres früheren Selbst (General Electric und IBM). So unwahrscheinlich es erscheinen mag – auch für die heutigen zehn größten Unternehmen ist ein ähnliches Schicksal durchaus möglich. 

Darüber hinaus erreichen viele der größten Unternehmen ihre Größe nicht allein durch operative Stärke, sondern durch aktienfinanzierte Übernahmen. Bei solchen Übernahmen fließt kein Kapital zwischen Käufer und Verkäufer; stattdessen werden die Unternehmen verschmolzen, und die Aktionäre beider Firmen erhalten einen kleineren Anteil an einem vergrößerten Gesamtunternehmen. Das Prinzip ähnelt zwei Partnern, die jeweils ein Sparkonto mit 50.000 Euro besitzen und sich dazu entschließen, das Kapital auf einem gemeinsamen Konto zusammenzulegen: Das gemeinsame Konto hat zwar einen höheren Gesamtwert, doch keiner der beiden ist dadurch tatsächlich reicher geworden.

„Einzelne Underperformer haben wenig Einfluss in einem breit aufgestellten Index“

Dieses Argument ist schlüssig, solange die Einzelaktien im Index über verschiedene Branchen gestreut sind und keine einzelne Aktie die Gesamtperformance des Indexes dominiert. Wie wir jedoch im nächsten Abschnitt sehen werden, hat sich die Ungleichverteilung zwischen den Einzelaktien zunehmend verstärkt, wodurch innerhalb vieler ETFs Klumpenrisiken entstanden sind.

2.     Gleichgewichtung statt Kapitalgewichtung

Viele beliebte ETFs, wie der MSCI World und der S&P 500, sind kapitalgewichtet, was bedeutet, dass größere Unternehmen im ETF stärker vertreten sind. In den letzten Jahren hat sich die Diskrepanz zwischen den kleinsten und größten Unternehmen erheblich vergrößert: 1984 war das größte Unternehmen der USA 3,7-mal so groß wie das 20.-größte, während dieses Verhältnis im Jahr 2024 auf das 8,9-fache angestiegen ist. Gleichzeitig hat sich die Marktkonzentration der größten Unternehmen zugespitzt, wobei acht der zehn größten US-Unternehmen aus der Technologiebranche stammen und 29,9 % des S&P 500 Index ausmachen, während die 100 kleinsten Unternehmen zusammen nur 2,37 % des Indexwertes repräsentieren.

Auch der MSCI World Index, der die 1.429 größten Unternehmen weltweit abbildet, zeigt ähnliche Tendenzen, wenn auch weniger ausgeprägt. Hier stammen die zehn größten Unternehmen alle aus den USA und neun davon aus dem Technologiesektor, was zusammen 22,56 % des Indexwertes ausmacht.

Im Gegensatz dazu setzen gleichgewichtete ETFs auf eine feste Gewichtung jedes Unternehmens, unabhängig von dessen Größe. Beispielsweise hat in einem gleichgewichteten S&P 500 ETF jedes Unternehmen einen Anteil von 0,2 % am Gesamtwert. Diese Struktur fördert eine breitere Risikostreuung und reduziert die Abhängigkeit von der Entwicklung einzelner Schwergewichte.

Fazit

 Die vorangegangene Betrachtung soll Ihnen als Anleger zeigen, dass auch ETFs Klumpenrisiken mit sich bringen können und eine gründliche Prüfung der Struktur sinnvoll ist. Ob kapitalgewichtete oder gleichgewichtete ETFs in der Zukunft besser abschneiden, ist offen. Wichtig ist, dass Anleger sich der spezifischen Risiken bewusst sind, bevor sie an der Börse investieren – insbesondere bei Produkten, die auf den ersten Blick unkompliziert wirken, wie etwa ETFs.

 

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